Rainer
Dorwarth
1924 - 2015
Dokumentation : Texte : Lechleiter : Tolksdorf : Brügel
Eberhard Brügel: Holzschnitte von Rainer Dorwarth

Eröffnungsrede und Gespräch mit dem Künstler am 16. März 2008 in der Galerie Hofmann, Bad Krozingen

Angenommen, man würde diesen Galerieraum betreten ohne zu wissen, um wen es sich bei dem ausstellenden Künstler handelt, dann dürfte man wohl annehmen, das Werk eines jungen Künstlers vor sich zu haben, so dynamisch, kräftig und von einer unbekümmerten Spontaneität erscheinen einem die Holzschnitte. Entdeckt man als die Enstehungszeit einzelner Blätter die 60er Jahre und rechnet man zurück, dann sind es tatsächlich Arbeiten eines solchen jungen Künstlers. Sollte man sich weiterhin veranlasst sehen, dieses Werk des jungen Künstlers mit den hier ebenfalls ausgestellten Holzschnitten der letzten Jahre zu vergleichen, dürfte dies erst nach einer längeren und genaueren Beobachtung gelingen, denn die Arbeiten haben in der Zeit eines langen Lebenswerks nichts an Kraft und Dynamik eingebüßt, im Gegenteil.
In gleicher Weise ist Rainer Dorwarths künstlerisches Werk von einer unverwechelsbar persönlichen Handschrift geprägt, die für seine unbeirrbare Überzeugung und sein konsequentes Handeln spricht. Auf eine kurze Formel gebracht, könnte man sagen: Entwicklung ja, kaum nachvollziehbare Brüche nie. Ein Seitenblick auf das hier nicht ausgestellte Oeuvre sei gestattet. Rainer Dorwarth ist auch Zeichner, Maler und Radierer.
Dabei nutzt er die spezifischen Eigenschaften und Möglichkeiten der einzelnen Verfahren und Gattungen und erzielt damit jeweils eine eigene Bildsprache, die eine weitgehende Eigenständigkeit behauptet. Dass hier ausschließlich die Holzschnitte gezeigt werden, erlaubt einen vergleichenden konzentrierten Blick über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten.
Dass die Holzschnitte für mich eine besondere Bedeutung besitzen, hat mit meiner persönlichen Biografie zu tun und darf keineswegs als Abwertung des übrigen Werkes von Rainer Dorwarth missverstanden werden. Bereits als Schüler lernte ich seine Holzschnitte kennen. Ich treffe also hier an den Wänden dieser Galerie auf einige alte und vertraute Bekannte aus meiner frühen Freiburger Zeit.
In der auch schon damals sehr lebendigen Freiburger Kunstszene spielte Rainer Dorwarth eine herausragende Rolle. Er war ein anerkannter und in weiten Kreisen bekannter Künstler. Im Mittelpunkt seiner künstlerischen Arbeit stand der Holzschnitt. Persönlich lernte ich ihn erst viel später kenn, als Schüler wagte ich es damals nicht ihn aufzusuchen. Später heißt, ab der 70er Jahre, wo wir uns als Mitglieder der Künstlerwerkstatt Mehlwaage an einzelnen gemeinsamen Druckgrafik-Projekten wie z.B. der herausgabe von Mappenwerken beteiligten.
Will man einige Merkmale der Holzschnitte von Rainer Dorwarth skizzieren und dabei vor allem die Bandbreite der künstlerischen Ausdrucksweise erfassen, so kann man sich folgender Stichpunkte bedienen:
  • Farbholzschnitte, teils in klarer formaler Ausprägung, teils von malerischer Qualität stehen gegen Holzschnitte in geradezu radikaler Beschränkung auf Schwarz und Weiß
  • Feine, von einer fragilen und fligranen Struktur bestimmte Drucke bilden einen Gegenpol zu Arbeiten, die von großzügigen Flächen bestimmt werden.
  • Organische, an natürliche Wachstumsprinzipien erinnernde Formen und Figurationen stehen neben einer strengeren Auffassung, die Vorstellungen von Konstruktion, von Architektur oder Planzeichnungen aufkommen lassen.
  • Chiffren, welche die Vorstellung von fremden Schriften hervorrufen, stehen gegen Zeichen, die als Spuren geologischer Prozesse gedeutet werden können.
Aspekte, die im Gespräch mit dem Künstler angesprochen werden sollen:
  • Das Verfahren des „Drucks mit der verlorenen Platte”, das Verfahren des Drucks mit der verlorenen Platte in der Kombination von ursprünglichem Zustand und der 30 Jahre später weitergeführten, auf transparentem Japanpapier bedruckten Fassung, die der ersten aufgelegt wurde.
  • Die Wirkungen, die beim Übereinanderdrucken von transparenter bzw. kompakter nasser bzw. trockener Farbe erzielt werden.
  • Steuerungsmöglichkeiten beim Handabzug. Rainer Dorwarth druckt ohne Presse. Er verwendet dazu einen Reiber, in seinem Fall einen Löffel. Dadurch ist die Auflage seiner Drucke sehr klein.
  • Die Auswirkungen des unterschiedlichen Materials: die Verwendung des Geißfußes hinterlässt in der Pressspanplatte einen spröden, gebrochenen Strich, der stärker in die umgebende Fläche integriert wird als die Linie, die ebenfalls mit dem Geißfuß in eine Furnierplatte geschnitten wird. Die Linie, die mit dem Kerbschnitt erzielt wird, ist exakter als jede mit dem Geißfuß geschnittene. Diese unterschiedlichen Wirkungen von Werkzeug und verschiedenem Material setzt Rainer Dorwarth gezielt ein. Beispiel: die Strukturen im Weißlinienschnitt, die klaren Flächenbegrenzungen in seinen letzten Schwarz-Weiß-Holzschnitten.
  • Der Negativ-Positiv-Ausgleich in den späten Holzschnitten
  • Die Parallelschraffur als Mittel, einen Grauwert zu erzielen
  • Der künstlerische Gestaltungsprozess: in einem sozusagen dialogischen Prozess entwickelte Bildform, bei der die Eigenschaften des Materials und der Werkzeuge und die individuelle Bildvorstellung des Künstlers gleichermaßen zur Geltung kommen. Teils arbeitet Rainer Dorwarth ohne jede Entwurfsskizze, teils orientiert er sich an kleinformatigen Entwürfen, die beim Schneiden noch große Freiheiten lassen.
  • Mögliche Interpretationen einzelner Blätter

Eröffnungsrede und Gespräch mit dem Künstler am 16. März 2008 in der Galerie Hofmann, Bad Krozingen
 

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